Viele Organisationen spüren einen starken Veränderungsdruck und möchten sich in Zukunft aktiver an dynamische Rahmenbedingungen anpassen. Eine Zukunftsfähigkeit, welche dabei im Fokus steht ist die Nutzerzentrierung. Mit Hilfe von Customer Centricity Maßnahmen wie Design Thinking, User Research, Personas, Customer Journeys und Fokusgruppen gehen Unternehmen punktuell Schritte in diese Richtung. Doch wie kann der Wandel zu einer menschenzentrierten Organisation langfristig gefördert werden? In diesem Artikel stelle ich ein Projekt vor, in dem es genau um diese Herausforderung und eine potenzielle Lösung geht.
Es geht um Nutzerzentrierung, effektive Kommunikation und Transparenz.
Die Herausforderung des Unternehmens im industriellen Handwerksbereich lautete: „Wie können wir unsere Marke durch nutzerzentrierte Mehrwerte stärken und vom Wettbewerb abgrenzen?”. Im Rahmen eines Strategieprozesses mit Workshop und intensiver Nutzerrecherche konnte ich mit einem Team aus Mitarbeitenden acht Potenzialfelder für die zukünftige Ausrichtung des Unternehmens erarbeiten. Drei dieser Potenziale: Nutzerzentrierung, effektive Kommunikation und Transparenz, wurden mir nach der abschließenden Dokumentation für eine weitere Zusammenarbeit angeboten: „Kannst du dir vorstellen, diese Inhalte mit uns zu erarbeiten und unseren Mitarbeitenden zu vermitteln?”. Ich habe zugesagt.
Das Projekt: Ein menschenzentriertes Training
Mir war es wichtig, diese Herausforderung von Anfang an ganzheitlich menschenzentriert zu verstehen und zu lösen. Nutzerzentrierung bedeutet nicht, dass nur die Bedürfnisse der Kund*innen verstanden und berücksichtigt werden, sondern auch die der eigenen Mitarbeitenden.
Für die Entwicklung der Inhalte bedeutet das, die relevanten internen Beteiligten und Abteilungen bewusst in den Entstehungsprozess zu involvieren, um die folgenden Fragen zu klären:
Wie wird das abstrakte Thema Nutzerzentrierung greifbar?
Welche Herausforderungen, Themen und Chancen sehen die Mitarbeitenden in diesem Kontext?
Welche Bedürfnisse haben sie in Bezug auf Medien und Informationstiefe?
Welche Methoden und Übungen haben einen echten Mehrwert für den Arbeitsalltag, lassen sich praktisch übertragen und nutzen, und machen im Idealfall Spaß?
Ich wollte ein co-kreatives Trainingsformat mit Workshop-Elementen entwickeln, die zur aktiven Mitarbeit auffordern. Mein Ziel war es, bewusst einen Raum für die Teilnehmenden zu öffnen, so dass diese die eigenen Herausforderungen aus dem Arbeitsalltag teilen und einbringen können, um dann auch Lösungsideen zu entwickeln.
Im Folgenden beschreibe ich die Entwicklungsschritte von der Idee bis zum fertigen Format, wie dieses bei den Mitarbeitenden ankommt und welche positiven Ergebnisse und Veränderungen bereits nach den ersten Workshops in der Organisation beobachtet werden können. Abschließend teile ich meine wichtigsten Erkenntnisse aus dem Projekt.
Ziel des Kick-off-Workshops: Die Mitarbeitenden verstehen
Die Recherche fand im Rahmen eines zweitägigen Kick-off-Workshops mit Mitarbeitenden aus allen Abteilungen, die später auch am Training teilnehmen werden, statt. Wir haben zu Beginn die Ziele des Trainings sowie die definierten Potenzialfelder analysiert. Außerdem haben wir erarbeitet, was es aus der Perspektive der Mitarbeitenden bedeutet diese im Unternehmen zu etablieren und welche Informationen für sie in welcher Form und Tiefe relevant sind.
Dann haben wir konkrete Herausforderungen im Arbeitsalltag, spezifische Situationen mit Kund*innen und bestehende Prozesse gesammelt, die in direktem Zusammenhang mit den drei Potenzialen stehen. Ergänzend entstand eine Kunden-Persona sowie eine Customer Journey.
Neben diesen auf die Organisation maßgeschneiderten Inhalten, die zukünftig dabei unterstützen die Perspektive der Kund*innen einzunehmen, haben wir Impulsthemen und Methoden für eine Verhaltensreflexion und Transformation in Richtung Nutzerzentrierung, effektive Kommunikation und Transparenz gesammelt. Ziel des Trainings ist es, die Teilnehmenden zu befähigen eigenständig weiter an den Potenzialen zu arbeiten und das Unternehmen so von innen heraus zu transformieren.
Eine Auswahl dieser Impulsinhalte:
Nutzerzentrierte Service- und Produktbeispiele (B2B & B2C)
Interviewführung, Dramaturgie und gute Fragen stellen
Effektive Kommunikation
Effektives Feedback
Werte und Haltung und die damit verbundenen Verhaltensweisen
Teamformate für die Weiterentwicklung (Diverse Meetings, Rollen und Regeln)
Ausarbeitung und Test des Trainings
Die gesammelten Impulse aus dem Kick-off-Workshop bilden die Grundlage für einen prototypischen Entwurf des Trainings. Im nächsten Schritt habe ich dafür die Inhalte mit einigen Mitarbeitenden weiter ausgearbeitet und eine Präsentation plus begleitende Workshop-Broschüre gestaltet. Diese enthält die wichtigsten theoretischen Inhalte sowie Arbeitsvorlagen für die Reflexion und Ausarbeitung.
Dieser zweitägige Prototyp wurde dann mit den Abteilungsleitern des Unternehmens getestet. Ziel war es deren Unterstützung zu sichern, die Dramaturgie der Inhalte zu prüfen und zu verfeinern, und weiteres Feedback zur Verbesserung zu sammeln.
Implementierung des Trainings in der Organisation
Nach Test und Überarbeitung war das Training bereit für die Implementierung in der Organisation. Die Geschäftsleitung möchte explizit allen Mitarbeitenden die Teilnahme ermöglichen, um eine ganzheitliche und unternehmensweite Transformation anzustoßen. Damit zudem die überregionale Vernetzung gefördert wird, findet das Training deutschlandweit an den diversen Standorten des Unternehmens statt. Pro Termin werden Mitarbeitende aus allen Standorten eingeladen.
Das Training in Zahlen:
ein monatlich stattfindendes zweitägiges Training zum Thema: Menschzentrierte Transformation, effektive Kommunikation und Transparenz
12 Teilnehmende (von diversen Standorten) pro Training
insgesamt werden von Anfang 2022 bis Ende 2023 über 200 Mitarbeiter*innen teilnehmen
die Durchführung findet an 7 Standorten in Deutschland statt
Um Dramaturgie und Inhalte weiter zu verbessern, haben wir die ersten vier Trainings mit Hilfe eines Fragebogens und einer abschließenden Feedback-Runde evaluiert. So ist es möglich, das Training immer weiter in Bezug auf die Bedürfnisse der Mitarbeitenden zu optimieren.
Ergebnisse und Erkenntnisse nach sieben Trainings
Nach sieben Trainings mit insgesamt 84 Teilnehmer*innen ziehe ich Bilanz: Das Format wird begeistert und motiviert aufgenommen. Sie empfinden es wertschätzend, dass ein individuelles Training zu ihren Themen und abgestimmt auf ihre Bedürfnisse angeboten wird. Es kommt außerdem sehr gut an, dass sie die Chance erhalten ihre beruflichen Herausforderungen einzubringen und gemeinsam an Lösungsideen zu arbeiten. Nutzerzentrierung wird als sehr relevante Zukunftsfähigkeit für das Unternehmen bewertet und aufbauend auf den Trainingsimpulsen entstehen Ideen, die in Form von klaren nächsten Schritten dokumentiert werden. Die Teilnehmenden äußern zudem den Wunsch nach weiteren Trainings, um zukünftig die Inhalte aufzufrischen, zu vertiefen und im Austausch zu bleiben.
Abschließend teile ich die aktuellen Ergebnisse der Transformation sowie meine wichtigsten Erkenntnisse aus dem Entwicklungsprozess.
Die Ergebnisse des Trainings:
Pro Workshop entstehen drei Ideen zur menschenzentrierten Verbesserung von Dienstleistungen, Prozessen, Strukturen und dem Arbeitsumfeld, diese werden an die Geschäftsleitung kommuniziert
Es wurde eine neue unternehmensweite Rolle geschaffen, deren Aufgabe es ist die Ideen aus den Workshops zu prüfen, zu priorisieren und einem Team zur Ausarbeitung zu übergeben
An jedem Standort wurde eine neue Rolle geschaffen, die vor Ort die entstehenden Projekte im Kontext der Transformation organisiert und begleitet
Die definierte Unternehmens-Persona entwickelt sich zum geflügelten Wort, die Kundenperspektive wird zu einer Konstante im Unternehmen
Es gibt Ideen für weitere externe und interne Personas, um die diversen Abteilungen und Kundengruppen zu verstehen und so die Zusammenarbeit zu verbessern
Die Mitarbeitenden beenden die Workshops mit konkreten nächsten Schritten für die kommenden Wochen (Verhaltensweisen, interne Austauschformate, Dialogformate mit Kund*innen)
Die Teams vernetzen sich eigenständig nach dem Training und kommen monatlich zu digitalen Inspirations- und Austauschterminen zusammen
Meine wichtigsten Erkenntnisse aus dem Projekt:
Customer Centricity bedeutet Menschenzentrierung. Um als Unternehmen zu zeigen, dass diese ganzheitlich verstanden und gefördert wird, ist es wichtig direkt bei den eigenen Mitarbeitenden, ihrem Arbeitsalltag und ihren Herausforderungen zu beginnen. Es entsteht ein großer Mehrwert für das Unternehmen, wenn die Mitarbeitenden in den Entstehungsprozess der Inhalte involviert werden, und so ihren Beitrag und ihre Bedürfnisse einbringen können.
Maßgeschneiderte Inhalte steigern die Akzeptanz und fördern die Integration. Der abstrakte Begriff Nutzerzentrierung wird durch einfache Beispiele, praktische Übungen, greifbare Methoden und eine Einbettung in den eigenen Arbeitsalltags verstehbar. Um die Entstehung dieser Inhalte zu ermöglichen, heißt es: zuhören, verstehen, testen und anpassen.
Besonders beim Thema Nutzerzentrierung ist es wichtig zu verstehen, für welche Abteilungen und Teams welche Verhaltensweisen wichtig und praktikabel sind – und für welche weniger. In Organisationen gibt es Bereiche, Abteilungen und Positionen, in denen Menschzentrierung mehr Sinn ergibt als bei anderen. Im Idealfall erfolgt hier eine bewusste Differenzierung mit diversen Lösungsansätzen, so dass die Informationstiefe in Bezug auf die Kundennähe angepasst wird.
Erfolgreiche Transformation bedeutet Veränderung von Verhaltensweisen. Aus diesem Grund ist die Aufschlüsselung von abstrakten Werten und einer theoretischen Haltung in konkrete und praktische Verhaltensweisen und Methoden entscheidend für den Erfolg.
Wie bei den Themen Agilität und New Work gilt auch hier: Jede Organisation benötigt eine individuelle Lösung. Es gibt keine Blaupause für Transformation, die für alle gleichermaßen funktioniert.