In einer Zeit, in der Unternehmen zunehmend nach Sinn und Identität suchen, ist ein authentischer Corporate Purpose von entscheidender Bedeutung. In diesem Artikel führe ich dich durch einen partizipativen Entwicklungsprozess, der es deiner Organisation ermöglicht, einen Purpose zu finden, der wirklich zu ihr passt.
Inhaltsverzeichnis:
Ein mittelständisches Unternehmen aus Berlin wendet sich mit folgender Fragestellung an mich:
Wie können wir als Unternehmen einen authentischen und sinnstiftenden Purpose entwickeln, der uns zukünftig im Arbeitsalltag und bei Entscheidungen leitet?
Wie kommunizieren und integrieren wir den Purpose nachhaltig im Unternehmen?
Daraufhin habe ich einen partizipativen Entwicklungsprozess vorgeschlagen, den ich in diesem Artikel vorstelle. Mein Ziel ist es, andere Organisationen für das Thema Corporate Purpose zu begeistern und zu zeigen, wie man zu einem authentischen Ergebnis kommt, das zur Organisation und zu den Menschen passt.
Was ist ein Corporate Purpose?
Der englische Begriff Purpose, der in diesem Zusammenhang auch im Deutschen verwendet wird, lässt sich mit Daseinszweck, Anliegen oder Bestimmung übersetzen. Ähnlich wie Vision, Mission und Werte schafft ein Purpose Klarheit über das eigene Tun und hilft bei strategischen Entscheidungen. Ein authentischer Purpose verbindet Menschen, motiviert, stiftet Sinn und ist deshalb für Organisationen und Teams wichtig.
Eine ausführliche Begriffsdefinition findest du im Artikel „Purpose-Guide: Bedeutung, Workshop-Methoden und Template“. Dort beschreibe ich auch Methoden zur Entwicklung eines Purpose für ein Team. Der Fokus dieses Artikels liegt auf der komplexeren Entwicklung eines Corporate Purpose für die gesamte Organisation. Um den Unterschied zwischen den Begriffen Mission, Vision und Purpose zu verdeutlichen, erläutere ich jeweils die Frage, die sie beantworten, die Zielgruppe der Botschaft und gebe ein bekanntes Beispiel:
Die Mission gibt Antwort auf die Frage:
Was machen wir jeden Tag, um unsere Vision zu erreichen? Was sind unsere Aktivitäten, Dienstleistungen und Produkte?
Die Mission richtet sich an folgende Zielgruppen:
Die Kund*innen der Organisation sowie die Mitarbeiter*innen
Die Mission von Greenpeace:
Wir arbeiten international und engagieren uns mit gewaltfreien Aktionen für den Schutz der Lebensgrundlagen und für Frieden.
Die Vision gibt Antwort auf die Frage:
Welche positive Zukunft wollen wir in 5-10 Jahren erreichen?
Die Vision richtet sich an folgende Zielgruppen:
Die Mitarbeiter*innen der Organisation sowie Investor*innen
Die Vision von Greenpeace:
Eine Welt, in der Mensch und Natur im Einklang miteinander leben. Ein Planet, auf dem die natürlichen Lebensräume erhalten bleiben und nachhaltige Lösungen den Umweltschutz und das menschliche Wohlbefinden unterstützen.
Der Purpose gibt Antwort auf die Frage:
Was ist der gesellschaftliche, soziale oder ökologische Nutzen oder Beitrag unserer Organisation?
Der Purpose richtet sich an folgende Zielgruppen:
Die gesamte Gesellschaft, inkl. der Partner*innen, Kund*innen und Mitarbeiter*innen einer Organisation.
Der Purpose von Greenpeace:
Wir schaffen eine grüne und friedliche Erde.
Purpose und Mission weisen eine gewisse Ähnlichkeit auf. Im Gegensatz zur Mission werden beim Purpose jedoch keine konkreten Dienstleistungen, Produkte und Aktivitäten genannt. Der Purpose beschreibt „nur“ den übergeordneten Zweck bzw. Beitrag einer Organisation zur Welt.
Beispiele für den Corporate Purpose
In einem Interview mit dem Wirtschafts-Podcast der Zeit („Habe Firma, suche Sinn“) beschreibt der Unternehmer Max Viessmann den partizipativen Entwicklungsprozess des Corporate Purpose für Viessmann, einen Hersteller von Heiztechnik. Mit der Beteiligung mehrerer tausend Mitarbeiter*innen entstand das Ergebnis: Wir gestalten Lebensräume für zukünftige Generationen.
Als Anregung nenne ich weitere Beispiele von Organisationen, die sich ihres gesellschaftlichen, sozialen und ökologischen Beitrags bewusst sind:
Wir wollen die Welt besser verlassen, als wir sie vorgefunden haben. (GLS Bank)
Wir unterstützen Unternehmen dabei, sinnstiftende Organisationen zu werden. (Die Unternehmensberatung TheDive)
We support people to live their lives with meaning and autonomy. (Der Niederländische Pflegedienst Buurtzorg)
Inspire and develop the builders of tomorrow. (LEGO®)
We bring inspiration and innovation to every athlete* in the world. *If you have a body, you are an athlete. (Nike)
Gute Gründe für einen authentischen Purpose
Ein authentischer Purpose ist kein leeres Versprechen, sondern eine Absicht, die die Organisation prägt und die zukünftige Ausrichtung maßgeblich beeinflusst. Ein authentischer Purpose verbindet, motiviert und stiftet Sinn. Er zeigt, dass eine Organisation Verantwortung übernimmt und bereit ist, ihren Beitrag zu einer wünschenswerten Zukunft zu leisten. Wie oben bereits beschrieben, beantwortet der Purpose die Frage: Was ist der gesellschaftliche, soziale oder ökologische Nutzen einer Organisation?
Damit der Purpose einer Organisation wirklich Sinn ergibt und zukünftige Entscheidungen leitet, ist es wichtig, dass er aus dem Unternehmensalltag heraus entwickelt wird. Dieser partizipative Prozess nimmt Zeit in Anspruch und führt nur im Austausch mit der gesamten Belegschaft sowie ausgewählten Partner*innen und Kund*innen zu einem glaubwürdigen Ergebnis. Am Ende entsteht auf diesem Weg weit mehr als ein Purpose: Gemeinsam schaffen die Mitarbeiter*innen die Basis für zukunftsorientiertes Wirtschaften und eine Sinn stiftende Zusammenarbeit.
Folgende fünf Faktoren sind bei der Entwicklung und Integration des Purpose zu beachten:
Partizipation: Alle Mitarbeiter*innen sind wertschätzend und transparent in den Entstehungsprozess involviert. Das sorgt für ganzheitliche Akzeptanz sowie Identifikation mit dem Purpose.
Authentizität: Der Purpose passt zur Identität und der Kultur des Unternehmens. Er wurde von den Mitarbeiter*innen für die Mitarbeiter*innen entwickelt.
Klarheit: Der Purpose ist klar und verständlich, in einfacher Sprache und ohne Fremdwörter formuliert.
Kommunikation: Der Purpose wird bewusst und transparent im gesamten Unternehmen kommuniziert und durch klare Verhaltensweisen integriert.
Vorbildfunktion der Führungskräfte: Die Führungskräfte leben den Purpose vor, indem sie aktiv die Unternehmenskultur formen, Verantwortung übernehmen und Mitarbeitende inspirieren.
Der partizipative Weg zum Corporate Purpose
Der partizipative Entwicklungsprozess beginnt bei der Geschäftsführung und einem Kernteam (z.B. HR-Abteilung und Marketing) mit ausgewählten Mitarbeiter*innen. In diesem Kernteam wird unter Anleitung eines erfahrenen Coaches eine für das Unternehmen passende Vorgehensweise festgelegt. In der darauf folgenden Analyse und Recherche werden die Geschichte des Unternehmens sowie interne und externe Perspektiven (von Mitarbeiterinnen, Kundinnen und Partner*innen) einbezogen. Auf Basis der gewonnenen Erkenntnisse wird dann im Rahmen eines Workshops mit dem erweiterten Kernteam ein Entwurf des Purpose erarbeitet. Dieser wird der gesamten Belegschaft vorgestellt und auf Basis der Rückmeldungen überarbeitet. Anschließend werden geeignete Kommunikationsmaßnahmen entwickelt.
Zum Abschluss gebe ich einen Überblick über die 8 Schritte der Entwicklung und Integration in die Organisation. Die folgende Grafik visualisiert beispielhaft, welche Formate (Meetings, Workshops) und Aktivitäten (Umfragen, Interviews, Schulterblicke) im Rahmen der ersten 6 Schritte chronologisch aufeinander folgen.
Die acht Schritte der Entwicklung eines Corporate Purpose
1. Vorbereitung und Planung
Beteiligte: Kernteam (4-6 Personen)
Aufgaben: Festlegung der Ziele und des Prozessrahmens. Auswahl weiterer Beteiligter.
2. Analyse und Selbstreflexion
Beteiligte: Kernteam
Aufgaben: Analyse der Unternehmensgeschichte, der aktuellen Marktposition, der Unternehmenskultur und weiterer relevanter Faktoren.
3. Integration von weiteren Perspektiven
Beteiligte: Kernteam, Führungskräfte, Mitarbeitende, Kund*innen und Lieferanten
Aufgaben: Durchführung von Interviews und Umfragen, um diverse Einblicke und Perspektiven zu erhalten.
4. Entwicklung eines Purpose
Beteiligte: Kernteam plus 4-6 Mitarbeiter*innen, insgesamt 12 Personen
Aufgaben: Entwicklung eines klaren und authentischen Purpose, der die Identität des Unternehmens widerspiegelt.
5. Überprüfung und Anpassung
Beteiligte: Kernteam und Mitarbeiter*innen
Aufgaben: Überprüfung des erarbeiteten Purpose durch Feedback-Schleifen. Anpassung auf Basis des Feedbacks.
6. Kommunikation des Purpose
Beteiligte: Marketing- und Kommunikationsteam, die gesamte Organisation
Aufgaben: Entwicklung einer Kommunikationsstrategie, um den Purpose intern und extern zu kommunizieren.
7. Integration und Umsetzung
Beteiligte: Alle Mitarbeiter*innen
Aufgaben: Integration des Purpose in die tägliche Arbeit, in Unternehmensprozesse und strategische Entscheidungen.
8. Kontinuierliche Überprüfung
Beteiligte: Führungsteam, interne Review-Gruppe
Aufgaben: Regelmäßige Überprüfung der Ausrichtung des Unternehmens auf den Purpose und gegebenenfalls Anpassung.
Zusammenfassung
Ein authentischer Corporate Purpose entsteht durch einen partizipativen Prozess gemeinsam mit den Mitarbeiter*innen, Kund*innen und Partner*innen einer Organisation. Es wird nicht von der Unternehmensleitung vorgegeben oder von einer externen Agentur losgelöst vom Unternehmen entwickelt. Ein Corporate Purpose beschreibt den gesellschaftlichen, sozialen oder ökologischen Beitrag einer Organisation für eine wünschenswerte Zukunft. Er wird intern und in Bezug auf die Geschichte und DNA der Organisation entwickelt, gelebt, regelmäßig überprüft und überarbeitet, wenn externe Faktoren oder Veränderungen dies erfordern. Gerade in der heutigen VUCA-Welt mit ihren komplexen Herausforderungen ist ein Purpose keine statische Aussage, sondern entwickelt sich evolutionär weiter und bleibt so aktuell, relevant und Sinn stiftend für die Menschen. Aufgrund der Komplexität der Entwicklung empfiehlt sich die Zusammenarbeit mit einem Coach, der Erfahrung in der Konzeption und Moderation von partizipativen Designprozessen (z.B. Design Thinking) sowie in der Nutzerforschung hat.