top of page

Workshop-Design Teil 2: Recherche und Fokus

  • Autorenbild: Steffen Sommerlad
    Steffen Sommerlad
  • 17. Jan.
  • 6 Min. Lesezeit

Aktualisiert: vor 8 Stunden


Im ersten Artikel dieser Serie habe ich dir das grundlegende Framework für effektive Workshops vorgestellt. Recherche, Fokus, Ideenentwicklung und Umsetzung. In diesem und einem weiteren Blog-Artikeln werde ich jede dieser Phasen detailliert beschreiben. Los geht’s mit Recherche und Fokus.




Inhaltsverzeichnis:



Warum ist die Recherche so grundlegend?


Ein effektives Workshop-Design lässt sich auf Metaebene in zwei Bereiche unterteilen. Problemraum und Lösungsraum. Aus meiner Erfahrung in der Zusammenarbeit mit Unternehmen weiß ich, dass der Problemraum oft übersprungen wird oder das Problem nur halbherzig und oberflächlich analysiert und validiert wird. Sobald ein Problem von oben definiert wurde und ein Team mit dessen Lösung beauftragt wurde, wird unverzüglich mit der Entwicklung von Lösungen begonnen. Dieses Verhalten basiert darauf, dass Arbeit und Erfolg in der klassischen Unternehmenswelt oft immer noch an schnellen und konkreten Ergebnissen gemessen werden und nicht an kritischen Rückfragen, begründeten Zweifeln und einer zeitintensiven Prüfung.


Ein effektives Workshop-Design besteht aus Problemraum und Lösungsraum.
Ein effektives Workshop-Design besteht aus Problemraum und Lösungsraum.


Handelt es sich um ein echtes Problem, um die richtige Herausforderung?


Der Fokus eines effektiven Workshops liegt deshalb zu Beginn auf einer intensiven Prüfung des Problems. Das Team klärt, ob das Problem für die Zielgruppe (intern oder extern) tatsächlich existiert oder auf falschen Annahmen beruht. Im Rahmen der Recherche sammelt das Team so viele verfügbare Informationen wie möglich, um das Problem ganzheitlich bewerten zu können. Ziel der Recherche ist es, das Problem durch diese Erkenntnisse zu bestätigen, zu modifizieren oder zu verwerfen und durch ein tatsächlich bestehendes zu ersetzen. Das Verwerfen eines Problems ist in dieser Phase ausdrücklich erwünscht, sofern die gewonnenen Erkenntnisse diese Entscheidung stützen. Wichtig ist zu verstehen, dass das Verwerfen eines Problems kein Scheitern darstellt, sondern eine wertvolle und ressourcenschonende Erkenntnis ist. Dem Team sollte von Anfang an klar sein, dass die Bewertung eines Problems als irrelevant ein voller Erfolg ist.


Die Recherche kann direkt im Workshop erfolgen oder vorab durch Interviews, Umfragen, Markt- und Trend-Recherchen sowie die Analyse von Wettbewerbern und der Ist-Situation vorbereitet werden. Damit du besser einschätzen kannst, was im Rahmen einer Recherche möglich ist, folgt eine Auswahl an Aktivitäten und Ergebnissen, die du vor und während des Workshops zur Recherche durchführen kannst.



Methoden für die Recherche vor dem Workshop


  • Markt- und Trend-Recherche (Ergebnis: Trend Report / Präsentation)

  • Konkurrenzanalyse (Design Report / Präsentation)

  • Nutzer Recherche durch Live- und Telefon-Interviews oder eine Online-Umfrage (User Research Report / Präsentation)

  • Website-Analyse (Downloads, Informationsarchitektur)

  • Google Analytics (Nutzerfreundlichkeit der Website, Besucherzahl, Besuchsdauer, Seitenaufrufe, Endgeräte, Herkunft)

  • Social-Media-Analyse (Bildwelt, Themen und Tonalität, Frequenz, Interaktionen, Kommentare, Community Management)



Methoden für die Recherche während des Workshops


  • Semantische Prüfung der Herausforderung mit dem Team. Was bedeuten die Worte und die Herausforderung für das Team? Schon an dieser Stelle kann die individuelle Wahrnehmung voneinander abweichen, bzw. bestimmte Begriffe stoßen auf Widerstand oder sind unklar.

  • Alle Annahmen, offene Fragen und Hürden bezüglich der Herausforderung gemeinsam mit dem Team sammeln.

  • Live- oder Telefon-Interviews mit Kund*innen, Nutzer*innen oder Mitarbeiter*innen führen.

  • Erkundung des Themas durch Zwiegespräche und anschließende Diskussion im Team

  • Expert*innen-Inputs

  • Sailboat-Übung (Was treibt uns an? Was hält uns zurück?)

  • SWOT-Analyse (Die Definition von Stärken, Schwächen, Möglichkeiten und Bedrohungen)

  • Golden Circle von Simon Sinek (Warum machen wir das? Wie machen wir das? Was machen wir genau?)

  • Thematische Gruppierung der Erkenntnisse

  • Brainstorming



Je nach Problem, Projektumfang und Teamgröße wird eine oder mehrere dieser Aktivitäten ausgewählt und durchgeführt. Überlegt euch vorab, welche Erkenntnisse ihr für die Bewertung des Problems oder der Herausforderung benötigt, und wählt dann die passenden Aktivitäten aus.


Wenn ihr im nächsten Schritt die Erkenntnisse besprecht, ist es wichtig, die Daten so strukturiert wie möglich für alle sichtbar zu machen, damit das gesamte Team einen guten Überblick über die Ergebnisse hat. Am besten funktioniert das auf einem Whiteboard. Hier können die Ergebnisse übersichtlich aufbereitet und nach Kategorien sortiert werden. Wir nutzen für diese Bestandsaufnahme gerne Post-its in zwei Farben: Blau für die Kategorien oder Themen (z. B. Social Media, Bildwelt, Website) und Gelb für die Erkenntnisse, Zitate, Potenziale und Fragen.


So sieht ein Board nach erfolgreicher Recherche aus.
So sieht ein Board nach erfolgreicher Recherche aus.

Die wichtigste Entscheidung: Was ignorieren wir?


Nach einer intensiven Recherche ist das Board voller spannender, strukturierter Möglichkeiten und Erkenntnisse. Nun ist es an der Zeit, einen klaren Fokus bzw. eine spezifische Herausforderung für die weitere Ausarbeitung zu priorisieren. Einige Potenziale sind strategisch sinnvoller als andere, da sie beispielsweise mit weniger Aufwand eine größere Wirkung erzielen, vollständig im Kompetenzbereich des eigenen Teams liegen oder einen innovativen Ansatz verfolgen. Die wichtigste Entscheidung im Rahmen eines effektiven Workshops ist tatsächlich: Was ignorieren wir, wozu sagen wir zu diesem Zeitpunkt nein?


Je größer das Team, desto stärker gehen die Meinungen auseinander. An dieser Stelle ist eine Diskussion kontraproduktiv und nicht zielführend. Um effektiv und transparent zu priorisieren, empfehlen wir euch die folgenden Methoden, die aufeinander aufbauend eingesetzt werden können: Dot-Voting und die Aufwand-Wirkung-Matrix.



Fokus-Methode: Dot-Voting


Für diese Methode benötigt ihr Klebepunkte. Die Methode funktioniert sowohl analog am Whiteboard als auch digital auf einem Miro- oder Mural-Board. Jedes Teammitglied erhält die gleiche Anzahl an Klebepunkten, die es dann auf Post-its verteilt. Je nach Anzahl der Erkenntnisse werden 5 bis 8 Klebepunkte ausgeteilt. Bevor es losgeht, werden eine Frage, der Zeitraum und die Voting-Regeln festgelegt.


Das Team stimmt mit Klebepunkten ab.
Das Team stimmt mit Klebepunkten ab.

Ein Beispiel für das Setup:

  • Frage: Was sind deiner Meinung nach die aktuell kritischsten Herausforderungen? Oder: In welchen Erkenntnissen siehst du das größte Lösungspotenzial?

  • Zeitraum: 5 Minuten

  • Regeln: Alle kleben ihre Punkte gleichzeitig am Board, aber jede*r für sich alleine ohne dabei mit den anderen zu kommunizieren. Das Kleben findet in Stillarbeit statt! Die Punkte sollen einzeln auf die Post-its geklebt werden, jede*r hat einen Joker und darf auf einem besonders relevanten Post-it einmalig zwei Klebepunkte platzieren. Der Joker ist kein Muss.

 

Nach Ablauf der Zeit werden die Post-its mit den meisten Punkten in einem neuen Bereich gesammelt und chronologisch sortiert. Je nach Punktzahl könnt ihr selbst entscheiden, ob ihr ein, zwei oder drei Post-its weiterbearbeitet.


Achtung: Je nachdem, wie offen die Unternehmenskultur, die Teamdynamik und der persönliche Bezug der Teilnehmenden zum Thema sind, kann es sinnvoll sein, anonym statt öffentlich am Board zu stimmen. Hierfür können die Post-its nummeriert werden. Die Teilnehmenden notieren dann die Nummern ihrer Favoriten auf einem Zettel und übergeben diesen nach Ablauf der Zeit an die Moderatorin bzw. den Moderator. Dieser klebt dann alle Punkte anhand dieser Zettel auf die Post-its.


Fokus-Methode: Aufwand-Wirkung-Matrix


Oft reicht Dot-Voting bereits aus, um die stärksten Erkenntnisse auszuwählen. Falls danach immer noch zu viele Post-its im Rennen sind, lassen sich diese mithilfe einer Aufwand-Wirkung-Matrix weiter priorisieren. Ihr könnt natürlich auch andere Kriterien auf den beiden Achsen platzieren. Achtet dabei einfach darauf, dass die Kriterien im Kontext eurer Herausforderung sinnvoll oder zielführend sind. Ein paar Beispiele: Teamkompetenz, benötigte Ressourcen, nutzerzentrierter Mehrwert, Nachhaltigkeit, Digitalisierung oder Innovationspotenzial.


Zeichne das Raster der Matrix auf ein Whiteboard oder Flipchart, benenne die beiden Achsen und platziere dann die favorisierten Post-its aus dem Dot-Voting. Hierzu liest der/die Moderator*in die Post-its nacheinander vor und fragt das Team, wo diese am sinnvollsten platziert werden. In der Regel geht das schnell und ohne große Diskussionen.


Ihr könnt die Dimensionen an eure Herausforderung anpassen.
Ihr könnt die Dimensionen an eure Herausforderung anpassen.


Herausforderungen positiv formulieren mit WKW-Fragen


Du hast nun einige Erkenntnisse oder Herausforderungen favorisiert. Im letzten Schritt dieser Phase werden diese in positive, ergebnisoffene und inspirierende „Wie können wir?”-Fragen umformuliert. Diese WKW-Fragen bilden die Grundlage für die Ideenentwicklung und helfen, auf viele unterschiedliche Lösungsansätze zu kommen.


Beachte bei der Entwicklung der Fragen bitte folgende Hinweise:

  • nenne eine spezifische Nutzergruppe

  • beschreibe das Problem oder die Herausforderung und formuliere ergebnisoffen, ohne bereits eine Lösung zu nennen

  • verweise auf den entstehenden (nutzerzentrierten) Mehrwert


Diese Formel hilft euch bei der Definition von WKW-Fragen.
Diese Formel hilft euch bei der Definition von WKW-Fragen.

Beispiel für eine Erkenntnis:

Frust und Konflikte im Sales-Team, weil keine*r weiß, was die anderen machen und welche Aufgaben liegen bleiben.


Beispiel für eine passende „Wie können wir”-Frage:

Wie können wir das Sales-Team dabei unterstützen, Verantwortlichkeiten und Aufgaben strukturiert zu definieren und für alle sichtbar zu machen, sodass klar ist was bereits erledigt ist und welche Aufgaben noch offen sind?


Wenn euch die Formel für den Anfang zu kompliziert ist, dann könnt ihr auch einfacher fragen: Wie können wir (die Herausforderung) lösen/erreichen/schaffen?


Du kannst die WKW-Fragen entweder gemeinsam unter Anleitung eines/einer Moderator*in in der großen Runde entwickeln, oder die Teammitglieder erarbeiten in Stillarbeit Fragen für die favorisierten Erkenntnisse, welche anschließend vorgelesen, gruppiert und durch ein Dot-Voting ausgewählt werden. Im Idealfall habt ihr jetzt 1–3 favorisierte Herausforderungen in Form von WKW-Fragen definiert. Für weitere Beispiele empfehle ich dir diesen Artikel zum Thema "Wie können wir"-Frage.





Du suchst einen erfahrenen Facilitator für einen Workshop? Dann schreib mir für ein unverbindliches Kennenlerngespräch.

bottom of page